Joanna Nottebrock Fotografie & Design









Insa (work in progress)

Warten auf ein neues Leben

„Ich mag mein Leben, auch wenn es sich zur Zeit nicht von seiner besten Seite zeigt.“ Insa hat Mukoviszidose und wartet auf eine Lungentransplantation. Mukoviszidose ist eine nicht heilbare Erbkrankheit, die ein sehr komplexes Krankheitsbild hat. Der Krankheitsverlauf kann von Patient zu Patient sehr unterschiedlich sein. Durch einen Gendefekt ist bei der Mukoviszidose der Wasser- und Salzhaushalt der Schleimhäute gestört und führt zu Funktionsstörungen diverser Organe: hauptsächlich davon betroffen sind die Bauchspeicheldrüse und die Lunge. In Deutschland leben rund 8.000 (meist junge) Menschen mit Mukoviszidose (in Europa ist es die am häufigsten vererbte Stoffwechselkrankheit). Insa ist eine von ihnen. Mit ihren 40 Jahren zählt sie inzwischen zu den Senioren mit dieser Krankheit. Die Lebenserwartung ist – durch den Aufbau von und Betreuung durch Spezialambulanzen sowie verbesserte Therapiemöglichkeiten – in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten kontinuierlich gestiegen. Vor 30 oder 40 Jahren verstarben die meisten der Mukoviszidose-Patienten im Kindes- oder Jugendalter, heute geborene Patienten haben dagegen schon eine Lebenserwartung von 45-50 Jahren. „Mukoviszidose bedeutet schlecht Luft zu bekommen und viel zu Husten. Mukoviszidose bedeutet sich und seinen Alltag mit all der Therapie, bestehend aus Inhalationen, Medikamenteneinnahmen, Ausdauersport, Atem- und Krankengymnastik, gut zu organisieren und konsequent durchzuziehen – jeden Tag, auch am Wochenende oder im Urlaub. Das ist inzwischen ein Vollzeitjob. Da sich mein Allgemeinzustand in den letzten Monaten deutlich verschlechtert hat, dauert auch alles länger – selbst eine so einfache Sache wie das Ausräumen des Geschirrspülers wird zu einer anstrengenden und zeitaufwendigen Arbeit.“ „Mukoviszidose bedeutet für mich, sich zu arrangieren und das Leben mit seinen schönen Seiten zu genießen, sich nicht über Kleinigkeiten zu ärgern und die Krankheit nicht zum Lebensmittelpunkt werden zu lassen.“

Trotz aller Einschränkungen ist Insa ein sehr positiver und lebensbejahender Mensch. Nie hört man sie über ihr Schicksal jammern. Zusammen mit ihrem Ehemann hat sie sich mit der jetzigen Situation arrangiert und versucht die Wartezeit möglichst gut zu überstehen. Es hat etwa ein halbes Jahr gedauert von dem Moment an, als mein Mann und ich uns für die Listung entschieden haben, bis zur positiven Rückmeldung von Euro-Transplant, nun auf der Warteliste zu sein. Bis dahin musste ich diverse Untersuchungen und Arztgespräche bestehen. Seit Januar 2012 bin ich nun auf der Warteliste für eine neue Lunge. Der Schritt war nicht einfach, weil mit so einer großen OP auch viel Risiko verbunden ist. Außerdem ist der anschließende Therapieaufwand nicht zu unterschätzen – aber die Hoffnung auf einen besseren Allgemeinzustand und dass dann das Leben nicht mehr so anstrengend ist, lassen einen hoffen und diesen Schritt gehen.“ Wie schafft man es die Wartezeit gut zu überstehen – psychisch wie physisch? Viele Patienten sterben auf der Warteliste. Mit der Aufnahme auf die Liste geben die Patienten zu, dass der Gesundheitszustand nun wirklich schlecht ist und die Lebensdauer mit der eignen Lunge wohl nur noch ca. fünf Jahre sein wird. Insa hat ihre Beerdigung inklusive Trauerkarte bereits geplant und mit ihrem Ehemann und den Eltern alles dafür besprochen. Das war ihr wichtig. Gleichzeitig ist dieses Thema aber nicht täglich präsent und versperrt nicht den Blick auf das eigentliche Leben im Hier und Jetzt. Und natürlich ist da die Hoffnung auf eine neue Lunge und die damit neu gewonnenen Möglichkeiten und Freiheiten, wie sie es wohl zuletzt vor 20 Jahren erlebt hat. Wie wird es sein mit einer anderen Lunge zu atmen? Wie wird das Organ angenommen. Wie ist es ein neues Leben geschenkt zu bekommen mit all den neuen Freiheiten und Möglichkeiten, aber auch mit der Verantwortung für das neue Organ? „Ich freue mich auf mein neues Leben. Ich freue mich darauf auf dem Sofa zu sitzen, ohne kurzatmig zu sein. Ich freue mich darauf problemlos Treppen steigen zu können, ohne nach Luft ringen zu müssen und ohne Pausen zwischendurch einzulegen und ohne, dass es für mich eine sportliche Höchstleistung ist. Ich freue mich darauf einen Tagesausflug schon vormittags beginnen zu können, ohne dabei die nächste Inhalation um die Mittagszeit einzuplanen und ohne dabei den Sauerstofftank tragen zu müssen. Ich freue mich auf Freizeit. Und ich freue mich darauf ganz bald ans Meer zu fahren und wieder lange am Strand spazieren gehen zu können.“